Friedensnacht
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Friedensnacht

Friedensnacht

Der erste Weltkrieg hat mich schon immer fasziniert. 2011 und 2012 recherchierte ich wie verrückt für einen Roman, der im Jahr 1914 anfangen sollte.

Die Heldin, Helene oder Lene, ist ein Spürchen älter als das Jahrhundert, bei Kriegsbeginn sechzehn Jahre. Während ihr Vater an der Front ist, erfährt Lene, dass ihre Stiefmutter Gerda mit einem jungen Offizier durchbrennen will. Um das zu verhindern, trifft sie sich selbst am Weihnachtsabend mit dem Mann und erreicht, dass er sich stattdessen mit ihr verlobt.

Als sie herausfindet, dass dieser Abend nicht ohne Folgen blieb, ist ihr Verlobter schon gefallen. Obwohl sie sich mit Gerda eigentlich überhaupt nicht versteht, kommen die beiden in diesem Fall zu einer Übereinkunft: Die Stiefmutter gibt Lenes Sohn als ihr eigenes Kind aus.

Gegen Ende des ersten Weltkriegs trifft Lene sich in Frankreich (wie sie glaubt, aus romantischen Gründen) mit einem jungen Soldaten, der sie mit einem Schlafmittel betäubt, um in ihren Kleidern und sogar mit ihren abgeschnittenen langen Locken unter dem Hut zu desertieren. Sie erwacht unbekleidet, mit ganz kurzem Haar und zieht, um sich irgendwie zu bedecken, die herumliegende Uniform samt Helm an. Worauf sie als ‚versprengter Soldat‘ eingesammelt und direkt an die Front gebracht wird, wo sie um Haaresbreite dem Tod entkommt.

Mein Konzept erstreckte sich bis zum Jahr 1939, also bis kurz vor den Beginn des Zweiten Weltkriegs, aber eigentlich noch viel weiter. Ich habe immer noch massenhaft Stoff zu dieser Offizierstochter aus Blankenese.

Doch dann stellte sich heraus: kein Verlag wollte diesen Roman haben! Ein besonders gescheiter Lektor ließ mir mitteilen, ich sollte historische Sachen bleiben lassen, ich möge stattdessen einen heiteren, zeitnahen Frauenroman schreiben, so was könne ich.

Als ich ihn fragte, ob er die ersten Kapitel und das Konzept überhaupt gelesen hätte, gab er ganz offen zu, dazu ‚sei er nicht gekommen‘ …

Erfreulicherweise begegnete ich in dieser Zeit Günther Döscher, der in Hamburg seinen kleinen, aber feinen Kadera-Verlag gegründet hatte. Ich schlug ihm vor, die ersten anderthalb Kapitel meines ‚Weltkriegs-Romans‘ als altmodische Novelle herauszugeben, mit von mir selbst gemalten Bildern. Und das hat er wunderhübsch gemacht. So ist wenigstens ein bisschen gerettet worden.

Aber ich bin häufiger Lesern begegnet, die von der ‚Friedensnacht‘ begeistert waren und mir erzählen, sie fänden es schade, dass die Geschichte damit schon zu Ende sei. Und dann hab ich mich jedes Mal wieder etwas geärgert über die Dummheit der Verlage.